Kastenfenster

Geschichte Kastenfenster

Das Kastenfenster gilt durch seine außerordentlichen Gebrauchs- und Qualitätsmerkmale seit über 100 Jahren als bewährte Fensterkonstruktion. Aufgrund des hohen gestalterischen Anspruches und der handwerklichen Fähigkeiten vergangener Generationen sind diese Fenster Zeugnis des wertvollen Wiener Kulturerbes. Die ästhetische Wertigkeit eines Kastenfensters und die herausragenden Funktionseigenschaften, wie hoher Schallschutz und verbesserte Wärmedämmwerte, sprechen für seine weitere Erhaltung. Langfristig wird dadurch der Wert der gesamten Immobilie erhöht.

Das Kastenfenster besteht aus zwei kompletten Einfachfenstern mit getrennten oder gemeinsamen Blendrahmen, die über ein Futter verbunden sind. Beide Flügel sind voneinander unabhängig und besitzen getrennte Verschlussmöglichkeiten. Kastenfenster sind Spezialkonstruktionen, die für höchste Anforderungen an Schallschutz benötigt werden. Ein großer Abstand zwischen zwei getrennten Fensterflügeln ist deutliches Konstruktionsmerkmal der Kastenfenster. Die hohen Leistungswerte der modernen Normalfenster lassen Kastenfenster nur noch für extreme Fälle sinnvoll erscheinen, zB in Flugplatznähe, in Stadtgebieten, bei Denkmalschutz, etc.

Das Kastenfenster und seine Entwicklung

Das Kastenfenster

Ein erheblicher Teil der Wiener Baustruktur stammt aus der Zeit vor 1945, aus dem Biedermeier und der Gründerzeit, dem

Jugendstil und der Moderne der Zwischenkriegszeit.

Das charakteristische Fensterelement dieser Bauten ist das so genannte Wiener Fenster. Das klassische Wiener Fenster ist

ein Kastenfenster mit zwei Fensterebenen, deren Fensterflügel (innen, außen) getrennt zu öffnen sind.

Das Kastenfenster ist als Doppelfenster ein leistungsfähiger Bauteil, dessen Konstruktion über Jahrhunderte optimiert wur­de und viele Vorteile besitzt. Kastenfenster wurden insbesondere mit ihrer räumlichen Tiefenwirkung bewusst in die historische

Fassadengestaltung miteinbezogen und sind daher auch für das Stadtbild von Wien von enormer Bedeutung

Barockfenster 18.Jahrhundert nach außen aufgehendes Einfachfenster

Einfachfenster aus dem Barock im Heiligenkreuzerhof.
1010, Schönlaterngasse 5

Alt Wiener Fenster

1800–1860
Alt-Wiener Fenster
nach außen aufgehendes Kastenfenster

Mozartgasse

1040, Mozartgasse 3. 1800. Hier zeigt sich deutlich die Tiefenwirkung der fassadenbündigen Kastenfenster im Stadtbild.

Wiener Kastenfenster Frühgründerzeit

ab 1860
Wiener Fenster der Frühgründerzeit
nach innen aufgehendes Kastenfenster

Dogenhof

1020, Praterstraße 70. 1898. Dogenhof

Wiener Kastenfenster der Frühgründerzeit
1030, Landstraßer Hauptstraße 13. Erbaut 1853
Rahmenstockfenster, nach innen aufgehend,

Leistenpfostenfensten

1860-1900
Wiener Fenster der Hochgründerzeit
nach innen auf gehendes Kastenfenster

Sonnenuhrgasse

1060, Sonnenuhrgasse 2. 1885.

Wiener Kastenfenster der Hochgründerzeit
1090, Rooseveltplatz 4-5. Erbaut 1881.
Leistenpfostenfenster, nach innen aufgehend. Oberlichten als
Steckflügel ausgeführt, entsprechend schmaler Kämpfer möglich

Rahmenstockfenster

ab 1870
Galgenfenster der Hoch- und Spätgründerzeit
nach innen aufgehen des Kastenfenster

Garelligasse

1090, Garelligasse 3.
1889.

Wiener Kastenfenster der Spätgründerzeit
1010, Rudolfsplatz 12. Erbaut 1882.
Rahmenstockfenster mit T-Teilung, nach innen aufgehend.
Nach innen öffnender Drehflügel in der Oberlichte, daher breiter Kämpfer

1890–1910
Wiener Fenster
aus dem Jugendstil nach innen aufgehendes Kastenfenster

Wiener Fenster Jugendstil

1060, Linke Wienzeile 40. 1898. Otto Wagner. Kämpfer sehr weit nach oben gerückt.

Wienzeile

1900-1918
Kastenfenster der Protomoderne
Sonderform Baywindow,
Arch. Oskar Marmorek

Kastenfenster der Protomoderne

1040, Schleifmühlgasse 3. 1911. Ernst Epstein.
Bay Windows mit dahinterliegenden verandaartigen Räumen.

Norm-Kastenfenster von 1918 bis 1940
Gemeindebauten des Roten Wiens (Normtypus) und Weiterentwicklung

Norm-Kastenfenster

1150, Wurzbachgasse 2-8.
1926. Normtypus zweiflügelig u. dreiflügelig mit Vierfachteilung.
Originalfenster trotz Denkmalschutz heute nicht mehr vorhanden.

1940–1955 Normtypus quadratisch

Normtypus

1050, Bacherplatz 4. 1948-1950. Otto Schönthal u.a. Eiselsberghof. Nahezu quadratische Kastenfenster mit einfacher Sprossenteilung sowie teilweise Lüftungsflügeln.

Pfenniggeldgasse

1160, Pfenninggeldgasse 1, 2-4a. 1950-54. Franz Novy Hof.
Lüftungsflügel Normtypus der 1940er und 1950er Jahre: zweiflügelige Holzkastenfenster mit zarter Sprosse in der Mitte. Untere Fensterreihe: Sondertypen wurden sparsam und zu gestalterischen Zwecken eingesetzt.

Das Wiener Kastenfenster

Das Kastenfenster ist dem Einfachfenster in vielen Aspekten überlegen. Seit der Entwicklung von Einfachfenstern aus Kunststoff, Metall oder Holz in den 1950er Jahren kommt es zur Zerstörung vieler historischer Fenster und somit zu massiven und nachteiligen Veränderungen des Stadtbildes. Diese Verbund- oder Isolierglasfenster bestehen nur aus einer Fensterebene mit einer Mehrscheiben- oder Isolierverglasung und sind technisch völlig anders aufgebaut als  Kastenfenster. Neben gestalterischen Nachteilen durch veränderte Proportionen, Teilungen, Materialien und Farben zeigt das Einfachfenster auch einige technische und  bauphysikalische Nachteile gegenüber einem Kastenfenster.

Originales Kastenfenster Ersatz durch Einfachfenster

Ihre Vorteile

Hohe Lebensdauer

Ein Kastenfenster aus Holz hat gute Dauereigenschaften und hält bei fachgemäßer Instandhaltung problemlos über einen Zeitraum von 100 Jahren und darüber. Die meisten Typen von Einfachfenstern haben vor allem auf Grund des rascheren Alterns der Kunststoffanteile eine deutlich kürzere Lebensdauer als Kastenfenster. Durch Fenstertausch entstehen nicht nur erhebliche Entsorgungskosten, sondern auch deutlich höhere Umweltbelastungen. Holz als CO2 – neutraler, nachwachsender Rohstoff ist Kunststoff ökologisch deutlich überlegen.

Hervorragender Schallschutz

Kastenfenster haben durch die zwei weit auseinanderliegenden Fensterebenen hervorragende Schallschutzeigenschaften. Durch schallabsorbierende Einlagen im Zwischenraum, entsprechende Fugendichtung  und unterschiedliche Glasstärken beim inneren und äußeren Fenster kann der Schallschutz noch weiter verbessert werden.

Kosten

In der Gesamtbilanz über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren gesehen, kostet ein Kastenfenster weniger als ein Einfachfenster mit Isolierglas. Das historische Kastenfenster ist hinsichtlich seiner Reparaturfähigkeit unübertroffen, bedingt durch die einfache Bauweise seiner Holzprofile, Verglasung, Anstriche und Beschläge. Vergleicht man die Kosten der unterschiedlichen Fenstertypen über einen längeren Zeitraum (z.B. 30 Jahre), so zeigt sich, dass das Kastenfenster selbst bei einer Neuanschaffung gute Chancen hat, sich in diesem Zeitraum zu amortisieren.

Das Wiener Kastenfenster Plan

Bester Wärmeschutz

Historische Kasten – bzw. Doppelfenster weisen einen vergleichsweise guten Wärmeschutz auf, da sowohl die isolierende Luftschicht zwischen den Fensterebenen als auch die Breite des Kastens einen Wärmeübergang von innen nach außen verringert. Für einschalige Wände ist diese Konstruktion optimal und entspricht etwa den Eigenschaften eines Isolierglas -Einfach fensters (ca. U – Wertges. 2,2 – 2,6 W/m 2K) . Nachträglich mit Isolierglas ausgestattete historische Kastenfenster
besitzen aufgrund der energetisch günstigeren Einbausituation deutlich bessere Wärmeschutzeigenschaften als Isolierglas-Einfachfenster (Kastenfenster: U-Wertges. ca. 1,3 W/m2K; Isolierglas -Einfachfenster: U -Wertges. ab ca. 2,2 W/m 2K).

Besserer Lichteinfall

Kastenfenster ermöglichen durch ihre Bauweise mit zwei Fensterebenen eine ganz zarte Ausführung der Fensterprofile und Sprossen. Bei Einfachfenstern mit Isolierverglasung wird durch die viel größer dimensionierten Fensterprofile die Belichtung der Innenräume wesentlich verschlechtert. Die Glasflächen der Einfachfenster sind bei gleicher Fensterteilung gegenüber den Kastenfenstern mitunter bis zur Hälfte reduziert!

Bewährter Kondensatschutz

Das Kastenfenster ist in Hinblick auf Kondensat und Schimmelbildung eine widerstandsfähige Konstruktion und hat diese Qua lität in vielen Jahren bewiesen. Der Einbau von Einfachfenstern in monolithische Ziegelwände ohne zusätzliche Dämmmaßnah men kann aus bauphysikalischer Sicht nicht empfohlen werden. In diesem Fall kann die raumseitige Oberflächentemperatur im Wandbereich so weit absinken, dass es in der Folge zu Kondenswasserbildung und Schimmelgefahr kommt.

Einfachfenster mit Doppelscheibe vs. Kastenfenster